Apicultural Review Letters
(Kritische Apikulturbriefe)

195. Brief
3. Dezember 2007


 

Natur und Kunst bei Goethe und Beuys - Bienen, Wissenschaft und die Zukunft der „solar economy"


Wenn man sich die Gentechnik-Katastrophen und die entsprechenden Wissenschaftler, die Kernreaktorunglücke oder das Bienensterben und die Bienenwissenschaftler ansieht, ist es heute kaum anders als vor 200 Jahren. Schon Goethe bemerkte in Bezug auf naturwissenschaftliche Forschung: „Es ist hierin schon unglaublich viel getan; allein es liegt so zerstreut, so manche falsche Bemerkungen und Folgerungen verdüstern die wahren und echten, täglich kommt zu diesem Chaos wieder neues Wahre und Falsche hinzu, so daß weder des Menschen Kräfte noch sein Leben hinreichen, alles zu sondern und zu ordnen..."[1]. Fortschritte könne man nur erzielen, wenn man es möglich machte, das Einzelne in übersehbarer Ordnung zu erkennen, „um das Ganze nach Gesetzen, die unserem Geiste gemäß sind, zusammenzubilden" [2]

Dazu müßte der Wissenschaftler entsprechend vorgebildet sein [3] [4] [5]. Goethe bemängelt, daß man in den Naturwissenschaften wie in anderen Wissenschaften, „nicht genug geläuterte Vorstellungsarten" anwende.

„Nahm die eine Partei die Gegenstände ganz gemein und hielt sich ohne Nachdenken an den bloßen Augenschein, so eilte die andere, sich durch Annahme von Endursachen aus der Verlegenheit zu helfen, und wenn man auf jene Weise niemals zum Begriff eines lebendigen Wesens gelangen konnte, so entfernte man sich auf diesem Wege von eben dem Begriffe, dem man sich zu nähern glaubte. Ebensoviel und auf gleiche Weise hinderte die fromme Vorstellungsart, da man die Erscheinungen der organischen Welt zur Ehre Gottes unmittelbar deuten and anwenden wollte. Ferner verlor man sich, anstatt bei der durch unsere Sinne verbürgten Erfahrung zu bleiben, in leere Spekulationen, wie z.B. über die Seele des Tieres, und was dem ähnlich sein mag" [6].

Jedes Tier, ein Bienenvolk eingeschlossen, ist ein Mikrokosmos. Alle jene einseitigen Standpunkte, welche die tierischen Vorgänge und das organische Leben nur als Erzeugnis physikalischer Kräfte auffassen, welche wie die neueren konsequenten Tier- und Pflanzenphysiologen überzeugt sind, daß dem Lebendigen kein transzendenter Faktor innewohnt, sind mit den Goetheschen nicht zu verwechseln.

In diesem Sinne ist auch ein „Happening" von Beuys zu interpretieren, das als ironisches Therapieangebot verstanden werden sollte, sozusagen als Protest gegen die oberflächliche Konsumgesellschaft und „Votum für die Mobilisierung der innerseelischen Kräfte" (7).

Joseph Beuys hatte bekanntlich entscheidende Impulse von Rudolf Steiners Gedankenwelt empfangen; er wollte das Denken wieder im Unbewußten „erden". „Das einzige, was sich lohnt aufzurichten, ist die menschliche Seele" (8) sagte er einmal, „Ich meine jetzt Seele im umfassenden Sinn. Ich meine jetzt nicht nur das gefühlsmäßige, sondern auch die Erkenntniskräfte, die Fähigkeit des Denkens, der Intuition, der Inspiration, Das Ichbewußtsein, die Willenskraft. Das sind ja alles Dinge, die sehr geschädigt sind in unserer Zeit. Die müssen gerettet werden. Es hat keinen Sinn, ohne diese Gedanken bessere Kartoffeln anzubauen" (9).

Es hat keinen Sinn, ohne diese Gedanken eine fundierte Wissenschaft oder eine Firma in die Zukunft zu führen. Jeder Wissenschaftler oder CEO eines Unternehmens kann sich die Frage stellen, ob er ohne diese Gedanken „bessere Kartoffeln" oder „besseren Honig" produzieren kann. Auch ein Bio-Label kann den Honig dann nicht mehr aufbessern. Dazu ein Beispiel aus Apikultur [10]:

„Die Begriffe „Biohonig", „Bioimker", „ökologische Bienenhaltung" werden inzwischen von Vielen assoziiert mit „gut", „besser", „EU-weit feste Regeln für die Ökologische Bienenhaltung [11]". Kann ich also inzwischen auch ohne die oben angeführten Gedanken besseren Honig produzieren, wenn ich mich nur an den Gesetzestext der EU-Bio-Verordnung halte, oder mich als Naturlandimker oder Biolandimker bezeichne? Sind diese Vorgaben überhaupt sinnvoll? Was wird verschwiegen? Für Herrn Maresch, ein Bioimker aus Königswinter, ist es mehr oder weniger klar, daß „konventionell erzeugter Honig schlecht ist" [12]. Nach ihm können wohl viele Hobby-Imker einen guten Honig produzieren - aber nur wenn sie die Vorgaben der EU-Bio-Verordnung einhalten. Erst wenn diese Vorgaben - sie mögen sinnvoll sein oder nicht - erfüllt sind, schreibt Herr Maresch, „haben Sie einen Imker vor sich, dessen Honig sie guten Gewissens kaufen können" [13]. Kurz, man müsse nur ihn selbst ansehen und auf das achten, was Herrn Maresch interessiere. Was wäre das also? Er sagt: „Mich interessiert, was meine Kunden wollen und die Gesetzeslage" [14].  Im Klartext heißt das: nur daran könne der Verbraucher erkennen ob er „einen guten Imker, verantwortungsbewußten Tierhalter und Lebensmittelproduzenten" [15] vor sich habe wenn der Imker sich nach der EG-Öko-Verordnung zertifizieren lasse, oder zumindestens sich danach richte - also laut Gesetzeslage das praktiziere, was erlaubt ist: an den Bienenvölkern herummanipulieren, künstlich besamte Bienenköniginnen einkaufen, oder selbst herstellen auch wenn die Methoden eher der Natur zuwider laufen und alles andere als artgerecht sind, in Ausnahmefällen auch chemisch-sythetische Schädlingsbekämpfungsmittel verwenden. Wer wird denn Imkern wie Herrn Maresch gleich „Verunglimpfung von Imkern" vorwerfen. In jedem Naturkostmagazin kann man es doch nachlesen: „Bio hilft den Bienen" [16]. „Wer Honig von Bio-Firmen wie Allos, Evers oder engagierten Bio-Imkern bezieht" unterstütze die ökologische Bienenhaltung. „Adressen, die weiterhelfen" werden uns genannt: Bioland, Naturland, Deutscher Apitherapie Bund" [17].

Die gentechnisch veränderte Kartoffel kann wohl kaum einem fundierten Wissenschaftsverständnis entsprungen sein - genausowenig wie die Medikamente „Lipobay" oder „Contergan". Wie die Kartoffel sich nicht durch die Gentechnik aufbessern läßt, so der Honig nicht durch industrielle Bienenhaltung.

Industrielle Bienenhaltung kennzeichnet leider auch die biologische Bienenhaltung - auch wenn Öko-Imker ihre Betriebsweise gerne in einem anderen Lichte sehen. Aussagen wie: „Natürliche Zucht und Vermehrungsverfahren sind zu bevorzugen ... Alles ist darauf ausgerichtet, die Bienen in ihrem Wesen zu unterstützen und dadurch ihre Lebenskraft zu stärken. Ganz wesentlich sind dabei der Schwarmtrieb und die Vermehrung über den Schwarm. In einem Satz zusammengefaßt heißt ökologisch imkern: Pflege der Bienen unter Berücksichtigung ihres Wesens, ... der Natur und vor allem unter kritischer Prüfung der Eingriffe und Manipulationen, die der Imker an den Bienen vornimmt ... Bienen brauchen keine vorgegebenen Mittelwände [18]" sind keine Seltenheit.  - Das klingt wirklich gut, aber das genaue Gegenteil von solchen Aussagen gilt gesetzlich immer noch als „Bio", weshalb ein Bio-Imker sich mit seiner Betriebsweise kaum unterscheidet von seinem konventionellen Kollegen. Eine „kritische Prüfung der Eingriffe und Manipulationen" ist bitter nötig, denn eine Bienenhaltung mit Magazinen, Rähmchen und Mittelwänden, wie sie auch bei Demeter zugelassen ist, läßt sich grundsätzlich nicht wesensgemäß oder artgerecht durchführen [19] [20] [21].

Wir brauchen nicht irgendeine weitere Form der industriellen Bienenhaltung, sondern wesensgemäße Bienenhaltung im Zeitalter der "Solar Economy". Magazin-Imkerei und künstliche Zuchtmethoden sind Wirtschaftsformen aus dem vergangenen Zeitalter der fossilen Energie, das durch Raubbau an der Natur gekennzeichnet ist. "Solar Economy" heißt von Goethe und Beuys lernen; auf die Bienen bezogen heißt es, auf ertragssteigernde Maßnahmen wie Magazine, Wolkenkratzerbienenkästen, Rähmchen und Mittelwände oder Zuckerfütterung verzichten [22] [23].
________
[1] Goethe: Nat.Schr. I,330
[2] Ibd.
[3] Internet Kurs: Goethe und Wissenschaft, Zentrum fuer wesensgemaesse Bienenhaltung 2008, Bad Sooden
[4] Internet Kurs: Konkretes Denken, Zentrum fuer wesensgemaesse Bienenhaltung 2008, Bad Sooden
[5] Internet Kurs: Natur und Kunst bei Goethe und Beuys - Bienen und Wissenschaft, Zentrum fuer wesensgemaesse Bienenhaltung 2008, Bad Sooden
[6] Goethe: Nat.Schr. I,331
[7] Crüwell, K. 2004: Ohne Seele keine guten Kartoffeln. Jenseits des Zwerchfells: Die Kunsthalle Baden-Baden untersucht „Konstruktionen des Innerlichen in der Kunst". Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. März 2004, Nr. 65. Es ging in der Ausstellung um „Konstruktionen des Innerlichen in der Kunst", vom späten neunzehnten Jahrhundert bis zur Gegenwart. Als Resümee könnte man sagen: „ohne Seele keinen guten Honig" oder wie die FAZ einen Beitrag betitelt: „Ohne Seele keine guten Kartoffeln". Frau Crüwell: „Mit der schönen Seele, wo auch immer sie nun hausen mag, hat ein gewisser Körperteil wenig zu tun, den erfolgreich zu liften ein simples Emailleschild am Eingang der Ausstellung verspricht: ‘Prof. Joseph Beuys, Institut for Cosmetic Surgery, Speciality: Buttocklifting".
[8] Ibd.
[9] Ibd.
[10] Apikultur 3/2004
[11] Schrot&Korn 4/2003
[12] Klaus Maresch (www.honigmet.de vom 22.04.2004/Faltblatt):
[13] Klaus Maresch 2004: Nach meiner Erfahrung. Deutsches Bienenjournal 12 (4): 163. Berlin.
[14] Siehe Anmerkung 12
[15] Ibd.
[16] EVE modernes Naturkostmagazin 2 (März/April) 2004.
[17] Ibd.
[18] Claudia Bentzien 2007: Ein bisschen öko für jeden Imker. Deutsches Bienenjournal 15 (10): 468-469. Berlin.
[19] M.Thiele 2002: Natur und Kunst. Zuerst veröffentlicht: Apiservices 2002. Virtuelle Imkerei Galerie.
[20] Zentrum für wesensgemäße Bienenhaltung, Zentrum für soziale Medizin und natürliche Bienentherapie.
[21] Praktische Kurse/Ausbildung im Zentrum für wesensgemäße Bienenhaltung 2008: Bienenhaltung in Oberträgerbeuten nicht nur für Anfänger.
[22] Ibd.
[23] Nicht nur in Deutschland werden in Imkereien Zuckersirupe verfüttert wie Glykosesirup, der aus gentechnisch veränderten Rohstoffen hergestellt wird. Apicultural Review Letters 2006: Bienenhonig und Wabenhonig statt Süßigkeiten mit Gentechnik ,5,Nr. 79
 
 

Zurück zur Übersicht Apicultural Review Letters
 


 

die Gesamtausgabe der Briefe erscheint in der Fachzeitschrift "Apikultur"


Copyright: Centre for Food Safety | Forschungszentrum natuerliche Bienentherapie | Natural Apitherapy Research Centre